Ein Interview - von Mark Twain
(Mindener Tageblatt vom 14.10.1989 - www.mt.de)

Der Reporter fuhr in seiner Befragung fort: "Hatten oder haben Sie Geschwister?"

"Ich glaube ... ja. Leider kann ich mich nicht genau entsinnen."

"Eine ungewöhnliche Aussage. Schauen Sie mal das Bild an der Wand an. Wen stellt es dar? Ist das nicht Ihr Bruder?"

"Ganz recht, jetzt fällt's mir ein. Armer alter Bill!"

"Wieso, ist er denn tot?"

"Höchstwahrscheinlich. Es ist immer rätselhaft geblieben."

"Wie traurig. Er ist also verschwunden?"

"Sozusagen ganz normal. Wir haben ihn begraben ..."

"Begraben? Ohne zu wissen, ob er tot war?!"

"O nein. So wiederum nicht. Er war schon tot genug."

"Das soll ich nun begreifen ... Wenn Sie wussten, dass er tot war ..."

"Nein, nein, es war nur so unsere Vermutung!"

"Ach so, er kam wieder zu sich."

"Ist ihm gar nicht eingefallen. Das ist eben das Rätsel. Wir waren nämlich Zwillinge, und wir wurden in der Badewanne verwechselt, und einer von uns beiden ertrank. Aber niemand wusste genau, welcher. Einige meinten, es sei Bill gewesen, andere meinten, dass ich es war."

"Das klingt ja außergewöhnlich. Was ist denn Ihre Auffassung?"

"Dieses Rätsel hat einen Schatten auf mein ganzes Dasein geworfen. Aber jetzt verrate ich Ihnen ein Geheimnis, das ich noch niemanden preisgegeben habe. Einer hatte ein Muttermal auf dem linken Handrücken, und das war ich. Und ausgerechnet dieses Kind ist ertrunken."

"Nun, dann ist ja alles klar und nichts mehr rätselhaft."

"Für mich aber wohl. Ich kann nicht einsehen, wie in aller Welt meine Angehörigen so blind handeln konnten, das falsche Kind zu begraben. Aber bitte sprechen Sie nirgends darüber, das würde nur weitere Unruhe in der peinlichen Angelegenheit geben ..."

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