Schwierige Konversation - von Walter Kuhnke
(Mindener Tageblatt vom 22.04.1995 - www.mt.de)

Konversation ist die Kunst der Unterhaltung, des unverbindlichen Gesprächs, des Plauderns. Wenn ich mit Bekannten zusammentreffe, gibt es immer Gesprächsstoff genug. Doch worüber spricht man mit einer fremden Person, die man nie zuvor gesehen hat? Meine Stärke ist eher das Schreiben als das Sprechen.

Als ich eines samstags morgens meine Tante Eulalia besuchen wollte, öffnete mir eine junge Frau die Wohnungstür.

"Sie wünschen?" fragte sie.

"Ich möchte zu meiner Tante", antwortete ich. "Und mit wem hab' ich das Vergnügen?"

"Mein Name ist ...", stellte sich die junge Frau vor; den Namen habe ich vergessen. "Ich bin von der Hausverwaltung."

"Wo ist meine Tante?"

"Sie wollte kurz einen Brief einwerfen und bat mich, hier zu warten."

"Dann warte ich auch", sagte ich und betrat die Wohnung.

Da saß ich nun mit der jungen, mir unbekannten Frau im Wohnzimmer. Die Frau sagte nichts. Ich sagte auch nichts. Wir schwiegen uns an. Eine merkwürdige Situation. Ich musste etwas sagen, um die fast schon gespenstische Ruhe zu beenden.

"Sie sind also von der Hausverwaltung", sagte ich.

"Das sagte ich bereits", entgegnete die Frau.

"Und ich bin der Neffe."

"Das sagten Sie bereits."

Der Anfang unserer Konversation war nicht besonders ergiebig. Es trat wieder Stille ein. Die Frau hätte ja auch mal was sagen können. Nein, sie schwieg und starrte die Wand an. Oder den Schrank, der dort stand, oder was weiß ich.

"Sieht nach Regen aus", sagte ich nach einer Weile.

"Ich habe einen Schirm dabei."

Ich hatte keinen Schirm dabei. Das behielt ich aber für mich. Sendepause. Die junge Frau stierte wieder die Wand oder sonstwas an, ich schaute auf den Fußboden. Das Schweigen war unerträglich. Es musste doch ein Gesprächsthema gefunden werden können.

"Sie haben übrigens eine schöne Jacke an", versuchte ich es mit einer kleinen Schmeichelei.

"Das ist keine Jacke", erwiederte die junge Frau schroff, "sondern ein Blouson."

Dann eben nicht! Sollte sie doch weiter die Wand anstieren. Ich begann ein Lied vor mich hinzupfeifen.

"Vögel, die morgens pfeifen, holt abends die Katze", merkte die junge Frau an.

"Schade, dass Sie nicht gepfiffen haben", entgegnete ich. "Ich kenne auch so einen Spruch. Wollen Sie ihn hören?"

"Nein."

"Ich sage ihn trotzdem. Frauen, die pfeifen, und Hähnen, die kräh'n, sollte man beizeiten den Hals umdreh'n."

"Sie unverschämter Kerl", schrie die Frau mich an. "Ich wusste es schon, als ich Sie vor der Tür stehen sah."

"Was wussten Sie?"

"Dass Sie ein Macho sind und frauenfeindlich."

"Ich und frauenfeindlich, dass ich nicht lache."

"Erst haben Sie versucht, mich anzumachen ..."

"... ich Sie?"

"Schöne Jacke und so. Und als Sie gemerkt haben, dass das nicht zieht, haben Sie Ihren frauenfeindlichen Spruch losgelassen."

Just in dem Augenblick, als wir endlich ein Gesprächsthema gefunden hatten, unterbrach uns meine Tante Eulalia. Sie erzählte von ihrem Rheuma, dass sie in letzter Zeit schlecht schlafen kann ...

zurück