Leopold Stokowsky ärgerte sich in Amerika über die Unpünktlichkeit des Publikums. Er bat und rügte: erfolglos. Die Leute kamen und gingen, wie es ihnen behagte. Da entschloss er sich zu einer Demonstration.
Halb neun sollte das Konzert beginnen. Pünktlich erschienen etwa zwanzig Musiker. Sie begaben sich auf ihre Plätze und fingen an.
Fünf Minuten später kamen einige weitere Orchestermitglieder. Sie rückten Stühle und Pulte, stimmten die Instrumente und fielen ein.
Ein paar Minuten später stürzte ein eiliger Klarinettist auf das Podium, stolperte über Beine, entschuldigte sich, lächelte verbindlich und stülpte sich über die Röhre.
Ein freundlicher Bassist trat zehn vor neun auf. Er grüßte in die Runde der Kollegen, schlängelte sich zu seinem Hocker, zog ein großes, buntes Taschentuch aus der Hose und schneuzte sich.
Kurz darauf tauchte Stokowsky auf. Er benahm sich so unauffällig wie möglich, musste aber, um zu seinem Stöckchen zu gelangen, das ganze Orchester umschreiten.
Mit dem Paukenschläger, der, offenbar stark erkältet, gegen neun Uhr hereinhustete, wurde die Philharmonie komplett.
Das Publikum, gegen erkleckliche Dollarbeträge eingelassen, atmete auf. Es fand die Vorgänge auf der Bühne keineswegs erheiternd. Aber nur eine Stunde lang ging alles gut.
Dann erhob sich eine Harfenistin. Sie holte für sich und zwei Kolleginnen die Mäntel und legte sie über die Stuhllehnen.
Kurz darauf schüttelte ein Geiger seinen Nachbarleuten die Hand, packte seine Fiedel ein, nickte dem Dirigenten zu und verschwand.
Ein Hornist ging hinaus, kehrte bemäntelt und behütet zurück, blies die letzten Takte stehend im Hintergrund und huschte davon.
Sokowsky hatte bereits mehrfach auf seine Taschenuhr geblickt. Schließlich legte er seinen Taktstock nieder und schlich auf Zehenspitzen weg, wiederum um das ganze Orchester. Seinem Beispiel folgten noch einige Musiker.
Der Rest beschleunigte und spielte für den letzten Satz eine außergewöhnlich gute Zeit heraus.
Seit diesem Tage war Stokowskys Publikum pünktlich.